Das zweite Leben – Trauma aus der Sicht einer Klientin
Jetzt – das Trauma ist aufgelöst
Ich bin in Westjütland. Eine Hummel schiebt sich mit dem Geräusch eines gut geölten Daimlermotors über die prall violettfarbenen Disteln. „Kiwitt, kiwitt!“, ist für mich zu hören. Die Stare fliegen in Formation dicht über den Wiesengrund und schwingen sich dann gegen das unendliche Blau des Himmels nach oben. Nahezu geräuschlos passiert das, so als hätte die Welt vor Staunen den Atem angehalten. Die Lerchen sind so verbreitet und gut gelaunt wie zu meiner Kindheit. Sie fordern auf, unbekümmert zu sein und es Ihnen gleich zu tun. Rauchschwalben fangen sich ihr Abendessen aus der Luft. Kühe grasen wiederkäuend auf der gegenüber liegenden Wiese. Das pralle Leben liegt wie ein lecker geschmiertes Butterbrot vor mir auf dem Teller. Ich beiße rein, ganz fest und bis mein Hunger gestillt ist.
Damals – als nichts mehr ging
Zwei Jahre zurück gerechnet bin ich am selben Ort, im selben Haus. Die Natur versucht zu betören so wie sie es nur kann. Ich sehe, dass ich aus der Tür treten müsste, um am Urlaub meiner Familie teilzunehmen. Aber das verbietet mir mein Bedürfnis nach Sicherheit, frei nach dem Gedankenkonstrukt: Draußen wartet das Böse, drinnen kannst du das Böse kommen sehen und steuern. Da alles Unkontrollierbare nicht mehr zulässig war, war ich nicht mehr Teil meiner Familie sondern Belastung und eine Art Mutterkorn im Getreide. Hochtoxisch, unter den normalen Roggen oder Dinkel gemischt, wenn es niemand aussortiert, könnte die Nahrung meine Familie ruinieren. Folgerichtig musste ich mich aussortieren, damit meine Familie nicht zu Schaden kommt. Der Berufsalltag hatte mich bereits gelehrt, wie wenig wert meine Arbeit der Schulgemeinschaft war. Haltloses Trudeln, inhaltlose pädagogische Arbeit, sinnloses Nebeneinander mit Kindern, Kollegen und Eltern. Nur noch Pflicht und keine Freude mehr. Kein Staunen, leichtfüßiges Entwickeln neben sicherer Routine mehr. Erschöpft, unendlich müde, aber immer schlaflos…. Tiefer hätte die Depression mich nicht führen können.
Der Weg zurück
Dann zog mein Neurologe die Reißleine: Schrittweise Krankschreibung über ein ganzes Jahr in Folge. Raus aus dem Berufsalltag als Pädagogin. Einstellen auf ein neues Psychopharmakum. Der Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik. Gesprächstherapie. Dann Sitzungen bei dem psychologischen Heilpraktiker Andreas Seebeck . Herr Seebeck hat in seiner loyalen und unnachgiebigen, aber immer rechtzeitigen Art mir Hilfe zur Selbsthilfe geboten. Ich habe Vertrauen in die Welt gewonnen, habe mein mich drangsalierendes tiefes Geheimnis gelüftet, habe durch seine Techniken zu mir selbst gefunden und wieder leben gelernt. Ohne Andreas hätte ich keine Chance auf ein zweites Leben gehabt, da bin ich mir sicher. Ich hätte mich wohl selbst aussortiert.
Mit einem Satz: ich hatte lebensbedrohliche Depressionen und Andreas Seebeck hat mich ins Leben zurückgeführt.
Kerstin Emke